Wenn das Wetter zum limitierten Faktor wird 

08.07.2022

Simon Stützel, Inhaber des Streckenrekords im Halbmarathon, nimmt am Sonntag die volle Distanz ins Visier – hat aber auch das Wetter im Blick. Das Lauf-Ass beschäftigt sich mit der 25-Grad-Marke. Sollte es weit drüber gehen, rennt er nur halb.

Klarer Fall bei Simon Stützel. Seit der 11. Auflage des Ermstal-Marathons im Jahre 2019 hat der Karlsruher die Bestzeit auf den 21,0975 Kilometern zwischen Metzingen und Bad Urach auf seiner Seite. 1:09,01 Stunden waren mehr als ein Statement – und er hat im Vorfeld keinen Hehl daraus gemacht, dass er genau dies vorhatte. „Den Halbmarathon-Streckenrekord habe ich ja schon“, stellte er nun im Vorgespräch richtig fest. Den im Ganzen hat er noch nicht. „Deshalb liebäugle ich schon mit dem Marathon“, sagt der 35-Jährige, der dann allerdings Denkwürdiges nachschiebt: „Ich bin nicht mehr so wahnsinnig.“ Um es klarzustellen – das war er noch nie. Gemeint ist damit das zweifelhafte Vergnügen, bei über 30 Grad 42,195 Kilometer weit zu rennen. Auf einer Strecke ganz ohne Schatten – wie jene beim Ermstal-Marathon eine ist. Nun deuten aktuelle Prognosen darauf hin, dass das Wetter am Sonntag ganz in Ordnung sein wird. Temperaturen um die 25 Grad werden prognostiziert. Trocken ist es und so kann man davon ausgehen, dass Simon Stützel das Ermstal zwei Mal durchquert. Rauf nach Bad Urach, runter nach Metzingen, rauf nach Bad Urach, runter nach Metzingen. Nur, um einmal zu veranschaulichen, wie weit 42,195 Kilometer eigentlich sind. Wer das auf einem Fahrrad ohne Motor erledigt, hat schon ordentlich zu tun. Simon Stützel hat sich im Vorfeld eine Grenze gesetzt. Sollte es über 25 Grad heiß werden, würde er sich die Sache noch einmal überlegen. „Das ist einfach nicht gesund, ich tue mir das nicht mehr an. 30 Grad oder noch mehr sind ein stark limitierender Faktor. Das ist brutal hart – auch für die Birne“, stellt jener klar, der durchaus schon solche Hitzeschlachten mitgemacht hat. „Er wird auf jeden Fall den Marathon laufen“, ist sich ein guter Freund sicher. Florian Neu hat den Kumpel einst auf das Rennen im Ermstal aufmerksam gemacht. Dass seine Frau aus Pliezhausen stammt, ist natürlich auch ein Grund dafür, dass Simon Stützel zum zweiten Mal die schöne Veranstaltung mit seiner Anwesenheit beehrt. Stützel zählt zu den ganz Schnellen, wenn er auch beteuert, dass Jüngere mit Macht nachdrängen. Mit seinen 35 Jahren kann er es mit ihnen aber noch aufnehmen, auch wenn er das Training gegenüber früheren Zeiten bei etwa 60 Prozent verortet. Es gebe im Leben auch noch andere Sachen. Das hat er festgestellt, ihn nur noch als Hobbyläufer zu verorten, wäre indes grundfalsch. Ansonsten müsste er an einen neuen Streckenrekord ja auch keinen Gedanken verschwenden.

Asfaw Birhanu hat 2013 in 2:31,21 Stunden gefinisht. Das ist schon ein Pfund, Simon Stützel hat vom Berlin-Marathon 2019 allerdings 2:16,09 stehen. Das ist dann wohl ein Kilo. Mit wem er sich auf der Strecke auseinandersetzen muss oder darf, ist noch nicht ganz raus. Traditionell wird abgewartet, wie sich die äußeren Bedingungen gestalten. Auch manch anderer hält sich die Option offen, bei optimalen Bedingungen eventuell doch eine der größten Herausforderungen des Laufsports zu wagen.

Früh festgelegt hat sich der Glemser Tim Koch – wegen der räumlichen Nähe einer der Experten in Sachen Ermstal-Marathon. Koch ist der Experte Koch hat sich früher über Peter Keinath gewundert. Jetzt rennt er am 10. Juli selbst die 42,195 Kilometer. „Ich habe Peter Keinath beobachtet und ihn auch auf dem Fahrrad begleitet, soweit es möglich war. Über Jahre habe ich mich gefragt, wie man sich so etwas antun kann.“ Jetzt tut er es sich selbst an. Und warum? Weil er es kann. Die Strecke gilt bei jenen, die den ganzen Marathon unter die Sohlen nehmen, als extrem anspruchsvoll. Das weiß natürlich auch ein „Zugereister“ wie Simon Stützel. Das Gelände wechselt, oft brütend heiß, kein Schatten. „Man wird im Alter nicht immer klüger“, hat der Pädagoge festgestellt. „Ich denke, man muss ihn einfach mal gelaufen sein, die Erfahrung selbst machen, sonst kann man nicht richtig mitschwätzen.“ Es sei ein harter Wettkampf, einzigartig und besonders. Das sagen jene, die ihn schon absolviert haben. „Davon will ich mich nun überzeugen“, sagt Tim Koch.

Stockerl im Blick

Von unzähligen Trainingsläufen ist Koch jede Ecke bekannt. Und weil die Form nicht ganz schlecht ist, wird bei der Premiere im schönen Ermstal die Latte schon einmal recht hoch gelegt. „Ich möchte das Rennen schon vorne beenden. Ein Platz auf dem Stockerl darf es sein, wobei es für detaillierte Prognosen zu früh ist. Man weiß ja nicht, wer alles mitrennt und wie das Wetter wird. Sicher ist, dass ich nicht auf die Jagd nach der Bestzeit gehen werde. Das geht einfach nicht auf dieser Strecke“, sagt Tim Koch. So werden also auch danach noch die 2.38.05 Stunden zu Buche stehen. Sollte es wider Erwarten anders kommen, ist es nicht so schlimm. An Simon Stützels Favoritenrolle lässt aber auch

der Glemser keinen Zweifel. Koch hat als Fußballer beim TSV begonnen, ist dann im Sportstudium über einen Trainingsplan für den Halbmarathon gestolpert. Gelesen und gemacht – und er ist dann gleich richtig gut gelaufen. Das neue Hobby war gefunden. Der Kontakt mit run2gether kam hinzu. „Voneinander lernen, einander unterstützen, miteinander Ziele erreichen und auf verschiedenen Ebenen voneinander profitieren“, ist das Motto. Der Verein run2gether ist in Österreich und in Kenia offiziell als Laufverein registriert. Tim Koch war in Kenia, und da hat es ihn vor sieben Jahren dann richtig gepackt. Nicht von ungefähr taucht run2gether nun auch in Verbindung mit dem TSV Glems auf. Was Tim Koch am Laufsport gefällt, ist die freie Gestaltung des Trainings. „Man kann Einheiten in jede Ecke des Tages schieben“, sagt der 36-jährige Familienvater. Derzeit ist es eine sehr frühe Ecke. Zwischen 6 und 6.30 Uhr geht‘s los. Vor dem Job als Lehrer am Keppler-Gymnasium in Tübingen (Musik und Sport). Der Umbau eines Häuschens in Metzingen ist ein weiterer Aspekt, der in die Vorbereitung zum Ermstal-Marathon mit hineinspielt. Trotz allem wird ein bestens vorbereiteter Tim Koch an der Startlinie stehen. Schließlich gucken ja alle zu, wenn nach Peter Keinath wieder ein  Glemser den ganzen Marathon unter die Sohlen nimmt. (Quelle:SWP/Wolfgang Seitz)